Terzetto Garibaldi – La Muerte Es Muy Natural

Das TERZETTO GARIBALDI beschert mir mit La Muerte es Muy Natural (DNN 034 C, 2xCD) ein Wiederhören mit Carlo Actis Dato. Der mir durch Leo Records vertraute Turiner ist im März ’22 70 geworden. Nach der kleinen Entwöhnung überschütten mich seine Bassklarinette, sein Bariton- & Tenorsaxofon besonders füllhornartig, im Verbund mit Luciano ‘OppaT’ Margorani an E-Gitarre & E-Bass (mehrmals mit Loops, gelegentlich auch klassischer Gitarre und einmal sogar Zurna) und Roberto Zanisi als perkussivem Oktopus mit Steel Pan, Cetra-Bells (?) Drumset, Ölfass, Metals, Brushes (gelegentlich auch 12-string-Gitarre und einmal sogar Sopranosax). Margorani kommt von La 1919 her, in den 80er/90ern so etwas wie ein Recommended Italia-Flaggschiff, in Beauty Is In The Distance spielte er mit Dave Newhouse von The Muffins. Zanisi, wie Margorani ’61 in Milano geboren, ist mit Creta auf Karlrecords und mit Cosmofonia Rudimentale auf ADN zu finden. An sich sind Guitar, Bouzouki & Cümbüş sein Ding, da aber Margorani diesen Posten schon dröhnend und krachig ausfüllt, rückt er dengelnd, mit Art-Brut-Tamtam und Klimbim eine Ecke weiter. Titel wie ‘Bukhara Bop‘, ‘Omicidio Nel Patsatzidico‘, ‘La Danza dello Xenartro‘ (als Ameisenbär-Gürteltier-Schwof), ‘Nero Wolfe‘, ‘Plutonio nell’Atollo‘, das taschendiebische ‘Scippo con Balletto‘, ‘Katakrismas‘ (Kataklysmische Katzenjammer-Weihnachten), ‘Il Morso del Calabrone‘ (ein Hornissen-‘Biss’), ‘Mangas Mambo‘, ‘Margraviato di Baden-Baden‘ oder ‘Problemi con lo Sciacquone‘ (Probleme mit der Klospülung) verraten den immer schon von CAD gezeigten Humor und die geteilte Lust an gewitzter Wort- und Anspielerei.
Für ‘Un Re Poco Monarchico‘ brauchen sie 15, für den brasilianischen Bohneneintopf ‘La Feijoada di Dom Um‘ fast 11 Min., für ‘Storia Bucolica‘ genügt ihnen eine. Mir genügen zwei, drei dieser mit Gusto geröhrten, gerockten, gefetzten, gekrabbelten, gequarrten, gerappelten Ohr- und pustelustigen Drehwürmer, um einen Hang zu Weirdness und eine gewisse Geistesverwandtschaft mit Musique actuelle à la Lussier zu konstatieren, mit The Tipton Sax Quartet & Drums. Es herrscht da, aufgemotzt mit dreifach südländischem Temperament, ein Post-R.I.O.-Freigeist, aufgefrischt mit weltoffener Tanzlust, für die es kaum einen effektiveren Gute-Laune-Garanten gibt als CAD. Noch lieber wäre mir Freilich ein kollektives, knurriges Basta! gewesen um einem Berlusconis, Salvinis und Melonis feixende Fressen zu ersparen.

Rigobert Dittmann (Bad Alchemy 117)

 

Das Terzetto Garibaldi besteht (bestand?) aus Carlo Actis Dato aus Turin und Luciano Margorani und Roberto Zanisi aus Mailand. Alle drei sind bzw. waren umfangreich in der norditalienischen Jazz-, FreeRock- und Avantgarde-Szene aktiv, Margorani z.B. bei La 1919 und Zanisi bei Cosmofonia Rudimentale. Margorani und Zanisi gehörten in den 90ern auch zum Ensemble von Roberto Musci & Giovanni Venosta.
Irgendwann spielte das Trio allerlei Material ein, welches im Dezember 2022 vom Mailänder Label Alma De Nieto als 2xCD veröffentlicht wurde. Angaben zum Aufnahmezeitpunkt gibt es nicht. Derselbe kann auch im letzten Jahrhundert liegen oder es kann auch sein, dass die Aufnahmen über einen größeren Zeitraum hinweg immer mal wieder stattfanden. Unklar ist schließlich auch, ob die Formation noch besteht, oder in dieser Form Konzerte gegeben hat.
La Muerte Es Muy Natural” wird in einem hübschen Klapp-Digipack geliefert, auf dem aber – wie schon erwähnt – wenig weitere Informationen zu finden sind. Die Tracks sind aber aufgelistet, jeweils versehen mit detaillierten Angaben über das verwendete Instrumentarium. Der Sound ist exzellent und die Session(s) fand(en) offenhörlich unter professionellen Bedingungen statt.
Aufgrund der oben angedeuteten Tätigkeitsfelder der drei Protagonisten sollte relativ klar sein, welcherart Musik auf “La Muerte Es Muy Natural” zu finden ist. Eine umfangreiche Ladung an kurzen bis sehr ausgedehnten Trioimprovisationen gibt es zu hören, die sich in der jeweiligen Instrumentierung unterscheiden, auch wenn Gitarren, Saxophone und Perkussives überwiegen. Zwischen schwebendem Klangmalen und kaputtem Plingen wird so ziemlich alles geboten, mal jazzige, mal rockig, mal formlos, aber durchweg eher angeschrägt. Sehr farbig und abwechslungsreich wird musiziert, in jeder Nummer etwas anders, mal getragener, mal hektischer und bisweilen auch versehen mit leichten Folk- oder Weltmusikeinsprengseln. Recht viel Spaß müssen die drei Protagonisten beim Musizieren gehabt haben, und ich würde die Musik durchaus als sehr gutgelaunt bezeichnen.
Eine Art wuselig-humorvoller Post-RIO gibt es hier zu hören, der wohl am ehesten mit den verschiedenen auf diesen Seiten zu findenden Projekten des Schweizers Markus Stauss vergleichbar ist, oder auch dem einen oder anderen eher jazzig-akustisch-kammerrockigen Album, an dem Martin Archer beteiligt war. Sich diese mehr als 2 Stunden an einem Stück anzutun ist natürlich reichlich anstrengend, aber in kleineren Happen genossen macht die Musik durchaus Spaß, so man denn gern jazzig-rockig-freies Plingen, Wuseln, Tröten, Rattern und Klappern schätzt.

Wertung: 11/15

Achim Breiling (BabyBlaue) 8/01/2023

 

 

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